Warum Fremdwörter einem Interview schaden!

Einmal im Jahr führt mich meine Arbeit nach Rüdesheim. Im Vorfeld einer Preisverleihung. Ich trainiere dort Wissenschaftler, die eine neuartige Entwicklung gemacht haben und jetzt als erfolgreiche Gründer durchstarten wollen. Sie müssen eine Jury von ihrer Geschäftsidee überzeugen. Gar nicht so leicht. Denn die angehenden Gründer haben ein extremes Fachwissen und das macht es oft kompliziert. Sie müssen sich für wichtige Botschaften entscheiden, so präsentieren und sprechen, dass Sie der Zuhörer, in diesem Fall die Jury, auch versteht. Das heißt: Bitte kein Fachchinesisch und so wenig Fremdwörter wie möglich! Denn: Verstehen Sie folgende Zeilen? Omatics (Name geändert) will jedem Nicht-Experten die Nutzung der MS-basierten Proteomik in den Bereichen Medikamentenentwicklung, Diagnostik und Forschung ermöglichen. Perspektivisch will PreOmics die Massenspektrometrie (MS)-basierte Proteomik in der personalisierten Medizin und in klinischen Laboren etablieren. Nein? Ging mir nicht anders! Sie können Ihre Idee nur an den Menschen bringen, wenn Sie auch verstanden werden, das Publikum Lust hat, zuzuhören: weil es neugierig ist, überrascht ist oder sich sonst einen Nutzen verspricht. Egal ob vor der Jury oder in einem Interview: Ihre Botschaften kommen im Gehirn nur an, wenn dieses sich nicht anstrengen muss. Sonst ist es schnell ermüdet und schaltet ab! Bei „Proteomik“ müssen wir erst mal nachdenken, versuchen, das Wort einzuordnen, überlegen vielleicht: „Wo habe ich das schon mal gehört?“ „Was heißt das noch mal?“ und Schwupps...den Rest des Satzes bekomme ich gar nicht mehr mit. Ich bin raus, abgehängt. Meine Gedanken schweifen weiter ab und ich überlege eher, ob ich heute Abend vielleicht noch ins Kino oder zu einem Konzert gehe. Die Proteomik hat mich verloren. In meinem Training kommt natürlich auch immer wieder der Einwand: „Ich möchte aber als Experte wahrgenommen werden, das kann ich über Fachvokabular deutlich machen, damit kann ich mich abheben! Je ausgefallener ich mich ausdrücke, desto intelligenter wirke ich doch!“ Nein. Stimmt nicht! Die einzige Konsequenz ist: keiner versteht Sie, keiner hört Ihnen zu. Sie bleiben mit Ihrem wunderbaren Wissen allein. Und die Chance für die nächste Einladung zu einem Interview ist geplatzt. Es gilt: sprechen Sie in einfachen, klaren Sätzen und vermeiden Sie Fremdwörter. Das gilt für jedes Interview, für jede Präsentation. Wenn es unbedingt mal eins sein muss, kommen Sie dem Zuhörer entgegen und ordnen es schon mal gehirngerecht ein. Also: Die Proteomik, also die Erforschung aller Proteine in einem Lebewesen, einem Gewebe oder einer Zelle, ist ein sehr spannendes Arbeitsfeld. In diesem Sinne: Sagen Sie beim nächsten Mal doch einfach Vielfalt statt Heterogenität und Schlussfolgerung statt Konklusion! Und ich bin gespannt, was ich im nächsten Jahr in Rüdesheim so verstehe. Wenn ich Ihnen mit einem Medientraining oder einem 1:1 Online-Training helfen kann, melden Sie sich doch gerne bei mir!
22. November 2018